(1891-1904)
Selig: 3. September 1988
Fest: 22. Januar
LAURA DEL CARMEN VICUÑA wurde am 5. April 1891 als erstes Kind von José Domingo und Mercedes Pino in Santiago de Chile geboren, wegen der in der Hauptstadt herrschenden politischen und militärischen Spannungen, deshalb wurde sie erst am 24. Mai getauft. Unter den Vorfahren der Familie Vicuña befanden sich berühmte Persönlichkeiten, weshalb die Revolution auch die Vicuñas mit voller Wucht traf. Damals genügte allein der Name, um verfolgt zu werden. So musste Lauras Vater die Stadt verlassen, weil sein Name den Aufständischen, welche die Macht an sich gerissen hatten, verhasst war. Er zog in den Süden nach Temuco, in das Hochland der Anden, nahe der Grenze zu Argentinien. Die Familie folgte ihm. Sein plötzlicher Tod im Jahre 1893 brachte seine Angehörigen in ernste Schwierigkeiten. Die Mutter erwartete ihr zweites Kind, das 1894, nur wenige Monate nach dem Tod des Vaters, zur Welt kam. Es war ein Mädchen, welches den Namen Julia Amanda erhielt. Allein mit den beiden Kindern, kämpfte die Mutter gegen Hunger und Verzweiflung.
Auf der Suche nach einer Lösung fasste sie 1899 den Entschluss, in das benachbarte argentinische Neuquén jenseits der Anden zu übersiedeln, wo in den noch unberührten Gebieten Patagoniens soeben die Ausbeutung durch verwegene Kolonisatoren begonnen hatte. Auf dem Landgut eines solchen namens Manuel Mora fand sie Arbeit, so dass sie ihre Kinder gerade mit dem Nötigsten versorgen konnte. Schließlich gab sie dem Druck Moras nach und wurde seine Geliebte. Diese Situation wirkte sich auf die Erziehung und Charakterbildung der beiden Töchter negativ aus. Aufgrund der unehelichen Verbindung war Mercedes Pino vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen. Die kleine Laura litt sehr unter diesem Umstand.
Trotz allem überließ die Mutter ihre beiden Kinder nie sich selbst und bemühte sich, sie religiös zu erziehen. In der Sorge um ihre Schulbildung, die bis dahin nur sporadisch erfolgt war, beschloss sie, die Mädchen den Don Bosco-Schwestern anzuvertrauen, die in Junín de los Andes, unweit der chilenischen Grenze, eine angehende Missionsstation mit einem kleinen Kolleg errichtet hatten. Laura und Julia traten dort im Januar 1900 ein. Als die Mutter ihre Töchter der Oberin des Instituts übergab, sagte sie im Hinblick auf Laura: „Sie hat mir nie Kummer gemacht. Sie war von Kindheit an immer gehorsam und demütig.“
Laura fühlte sich wohl in der neuen Umgebung. Die Einführung in die Wahrheiten des Evangeliums im Rahmen des Religionsunterrichts kam ihrem rezeptiven Geist und ihrem schon frühzeitig kontemplativen Wesen entgegen. Im Bemühen, die Glaubenswahrheiten zu vertiefen, gelangte das Mädchen immer mehr zu der Erkenntnis, dass seine Mutter nicht nur in einem vor dem Gesetz unrechtmäßigen Verhältnis lebte, sondern auch gegen göttliches Gebot verstieß. Lauras großer Verdruss darüber verstärkte sich noch, als diese anlässlich ihrer Erstkommunion am 2. Juni 1901 nicht die Sakramente empfing. Laura betete inbrünstig, die Mutter möge sich dieser Situation entledigen, und hoffte, dass sie zumindest im Blick auf ihre Erstkommunion die Kraft und den Mut aufbringen werde, das unstatthafte Verhältnis zu beenden. Doch ihre Hoffnungen wurden enttäuscht. Diese Erfahrung prägte Lauras Kindheit und führte zu einer Wende in ihrem Leben. So geht aus schriftlichen Unterlagen hervor: „Wir bemerkten bei ihr von dem Tag an einen echten und soliden Fortschritt.“
Um gerade am Tag ihrer Erstkommunion in vollem Einklang mit Gott zu sein, schrieb Laura folgende Vorsätze nieder: „O Herr, ich will Dich lieben und Dir ein Leben lang dienen. So vertraue ich Dir meine Seele, mein Herz, mein ganzes Wesen an. Lieber will ich sterben, als Dich durch eine Sünde zu beleidigen. Daher will ich Buße tun für alles, was mich von Dir entfernen würde. Ich werde mein Bestes tun, damit Du erkannt und geliebt wirst, und um wiedergutzumachen, was die Menschen tagtäglich und besonders jene aus meiner eigenen Familie an Dir verbrechen. So schenk mir, o Gott, ein Leben in Liebe, Demut und Opferbereitschaft.“
Diese Glaubensbezeugung dem Herrn gegenüber, die in einem Augenblick tiefer Enttäuschung zustande kam, welche wiederum durch eine tiefe innere Reifung überwunden wurde, beweist Lauras völlige Hingabe an Gott zugunsten der Bekehrung ihrer Mutter.
Die Salesianerinnen erkannten schon bald, dass sie es bei Laura mit einem außergewöhnlichen Mädchen zu tun hatten.
Im ersten Jahr stach sie durch besonderen Eifer beim Studium und eine stark spirituelle Lebenshaltung hervor. Schon am 8. Dezember 1900 wurde sie in die Fromme Vereinigung der Töchter Mariens aufgenommen, wo ihr Lebensplan den geeigneten Nährboden fand, um zum Gebot des Alltags zu werden.
Im zweiten Jahr (1901) wurde Laura zusammen mit ihrer Schwester nach Hause in Ferien geschickt. Das Zusammentreffen mit Mora, dem Lebensgefährten ihrer Mutter, war ein Schlag für Laura. Täglich wurde sie von beklemmenden Alpträumen gequält, von denen sie sich erst durch Rückkehr in das Kolleg befreien konnte. Das seelische Leid, dem sie ausgesetzt war, drang unterdessen nicht nach außen, auch wenn sie in bestimmten Momenten große Bitterkeit empfand – so z. B. als sie am Schluss der ersten großen Volksmission in Junín de los Andes neuerlich feststellen musste, dass ihre Mutter nicht daran teilgenommen hatte. Nach Beendigung des zweiten Studienjahres im Januar 1902 fuhren Laura und ihre Schwester neuerlich zu ihrer Mutter in Ferien; sie erreichten sie in Quilquihué. Für Laura bedeutete dies eine echte Feuerprobe. Mora zeigte auffallend großes Interesse an dem Mädchen. Laura durchschaute seine Absicht und umgab sich mit einem eisernen Panzer. Mora reagierte darauf mit grausamen Misshandlungen ihrer Mutter und griff zum Mittel der Erpressung, indem er sich weigerte, die Studiengebühren für ihre Töchter zu bezahlen. Nachdem die Direktorin des Kollegs von deren Schwierigkeiten erfahren hatte, nahm sie die beiden Mädchen im Gegenzug für kleinere Hilfeleistungen trotzdem auf.
Im dritten Jahr, am 29. März 1902, empfingen Laura und ihre Schwester die Firmung. Die Mutter war bei der Feier anwesend, ging aber nicht zur Kommunion. Laura ergriff nun die Gelegenheit und ersuchte um Eintritt bei den Salesianerinnen als Postulantin. Die Bitte wurde aufgrund der familiären Umstände nicht erhört. Laura fügte sich, ließ aber nicht von ihrem Vorhaben ab.
Die Situation der Mutter bereitete ihr unvorstellbare Qualen und so reifte in ihr ein Plan. Um die Mutter zur Umkehr zu bewegen, beschloss sie im April 1902, Jesus ihr Leben anzubieten, nachdem sie privat die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams abgelegt hatte. Ende des Jahres klagte Laura über leichtes körperliches Unwohlsein.
Das Jahr 1903 verbrachte sie zur Gänze im Kolleg. Ihre Gesundheit verschlechterte sich zusehends, sodass sie Ende September nicht einmal mehr in der Lage war, an den Exerzitien teilzunehmen. Nachdem man ihre Mutter benachrichtigt hatte, traf diese Vorbereitungen, das Mädchen nach Quilquihué zu holen, doch half der Klimawechsel nichts. Also brachte sie Laura wieder nach Junín, wo sie effizienter behandelt werden konnte, und zog mit ihr in eine private Unterkunft.
Im Januar 1904 kam Mora zu Besuch und beschloss, hier zu übernachten. Laura protestierte energisch: „Wenn er dableibt, gehe ich in das Kolleg zu den Schwestern.“ Und so geschah es, wenngleich sie von der Krankheit völlig erschöpft war. Sie verließ das Zimmer und begab sich auf den Weg zum Kolleg. Mora folgte ihr und schlug erbarmungslos auf sie ein. Laura erlitt ein Trauma. Wieder im Kolleg, verlangte sie nach dem Priester. Sie legte die Beichte ab und bot dem Herrn erneut ihr Leben für die Bekehrung der Mutter.
Am 22. Januar empfing Laura zum letzten Mal die Kommunion. Am Abend rief sie ihre Mutter zu sich und offenbarte dieser ihr Geheimnis: „Mama, ich werde sterben. Ich selbst habe Jesus darum gebeten. Fast zwei Jahre sind es her, dass ich Ihm mein Leben um deinetwillen angeboten habe, damit du wieder zum Glauben zurückfindest.“ Die Mutter schwor in diesem Augenblick, ihr Leben zu ändern. „Danke, Jesus! Danke, Maria! Jetzt bin ich glücklich“, waren Lauras letzten Worte, bevor sie in Frieden heimging.
Beim Begräbnis des Mädchens versöhnte sich die Mutter wieder mit Gott. Lauras Grab befindet sich nunmehr in der Kapelle des Kollegs „Maria Auxiliadora“ in Bahia Blanca, Argentinien.